Waldhof-Analyse: Schreitet der SVW sehenden Auges in den Untergang?Nach der ernüchternden Leistung beim 0:0 gegen Duisburg geht beim kriselnden SV Waldhof vorerst alles weiter wie gewohnt. Die Frage, ob die Verantwortlichen den Ernst der Lage erkannt haben, steht im RaumEs ist ein beängstigender Trend. Aus den vergangenen neun Spielen in der 3. Liga hat der SV Waldhof nur sechs Punkte geholt (1 Sieg/3 Unentschieden/5 Niederlagen). Und beim 0:0 gegen Schlusslicht MSV Duisburg am Sonntag funktionierten selbst die einfachsten Dinge nicht mehr. In der Offensive herrschte mangels Konzept und Positionsspiel die totale Ratlosigkeit, die Zahl der Fehlpässe ohne Not und technischen Fehler stieg schon wieder in ungesunde Höhen. Es wurde geholzt, gebolzt und gestümpert. Nach dem 2:1-Sieg des Halleschen FC am Sonntagabend gegen Viktoria Köln steht der SVW wieder auf einem Abstiegsplatz. Schreitet der SV Waldhof sehenden Auges in den Untergang? Die wichtigsten Antworten auf die drängendsten Fragen.
0:0 gegen Duisburg: Ein kleiner Schritt aus der Krise oder ein weiterer Schritt tiefer in die Krise?Wenn man die beteiligten Protagonisten fragt, eher ein Schritt nach vorne. „Meine Mannschaft hat gefightet, hat gefühlt alles wegverteidigt. Wir müssen unsere Offensive klar verbessern, dennoch bin ich nicht unzufrieden, weil die Defensive gut gearbeitet hat“, sagte Trainer Rüdiger Rehm. Und Mittelfeld-Mann Baxter Bahn gab zu Protokoll: „Es ist sicher schwierig, etwas Positives zu finden. Aber wir haben einen Punkt geholt.“ Einen Punkt gab es zwar tatsächlich für eine anständige Abwehrleistung, aber im Spiel nach vorne präsentierte sich der SVW gegen die zurzeit schlechteste Mannschaft der Liga ebenfalls wie ein potenzieller Absteiger.
Statt nach der Pause gegen einen komplett harmlosen Gegner mit Verve auf das 1:0 zu spielen, herrschte die Angst vor der eigenen Courage vor. „Wenn wir dann einen Konter fressen, heißt es: Warum habt ihr hinten nicht dichtgemacht?“, sagte Bahn hinterher fast entschuldigend.
Ist der aktuelle Tabellenplatz nur eine Momentaufnahme, oder schwebt der Waldhof tatsächlich in akuter Abstiegsgefahr?Die Zeit der Schönfärberei sollte besser gestern als heute vorbei sein. Die Mannheimer kämpfen mit derart gravierenden fußballerischen Problemen, dass es unrealistisch wirkt, dass sich diese verunsicherte und auf etlichen Positionen unzureichend besetzte Mannschaft zeitnah aus dem Tabellenkeller verabschieden kann. Mittelstürmer Pascal Sohm setzte seine Hoffnung am Sonntag darauf, dass ein Erfolgserlebnis die unübersehbare Blockade lösen kann. „Wenn einmal der Knoten geplatzt ist, sieht das auch schon wieder anders aus. Wenn du oben stehst, gehen die Dinger vielleicht rein, bei uns momentan leider nicht. Wir müssen das Glück erzwingen“, sagte der 32-Jährige. Es klang ein bisschen nach Sprüchen aus dem leicht vergilbten Fußball-Floskel-Handbuch für Krisensituationen.
Wie sicher sitzen Trainer Rüdiger Rehm und Sportchef Tim Schork noch im Sattel?Präsident Bernd Beetz hat angekündigt, nicht in Aktionismus zu verfallen. Das ist einerseits löblich, weil permanente Fluktuation auf Schlüsselpositionen noch keinem Profiverein gut bekommen ist. Die beiden Kernfragen bei den Personalien Schork und Rehm lauten jedoch: Hat der Sportchef ein robustes Team zusammengestellt, das in der 3. Liga konkurrenzfähig ist und dazu noch Entwicklungspotenzial für die Zukunft verspricht? Und holt der Trainer aus dem aktuellen Personal auch das Optimum heraus? Da sind in beiden Fällen Zweifel angebracht.
„Die Unzufriedenheit ist da, beim ganzen Verein. Wir müssen die Situation jetzt annehmen und uns herauskämpfen“, forderte Beetz am Sonntag bei „MagentaSport“. Klar ist: Wenn der Sinkflug auch im nächsten Liga-Spiel bei RW Essen, in dem Tim Sechelmann (Zerrung) wohl ausfallen wird, und danach im Verbandspokal-Viertelfinale beim SV Sandhausen anhält, würden Kräfte freigesetzt, die Personalentscheidungen unumgänglich machen könnten. Rehm zeigt sich weiter optimistisch, die Krise in den Griff bekommen zu können. „Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich in der Hand habe. Wir haben einen regelmäßigen Austausch und wissen, dass es eine kritische Situation ist. Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir aus der herauskommen werden, und zwar gestärkt herauskommen werden“, sagte der Trainer.
Und was ist mit Geschäftsführer Markus Kompp, der für die organisierte Fanszene eine Reizfigur darstellt?Die Protestaktionen der Fans im Umfeld des Duisburg-Spiels wie auch das Wirrwarr um die Sportrechteagentur „All About Sports“, von dem sich der SVW nach sechs Monaten Zusammenarbeit als Vollvermarkter bei der Sponsorensuche schon wieder trennte, scheinen Kompps Ansehen bei Präsident Beetz nur bedingt geschadet zu haben. „Ich finde die Kritik ein bisschen überzogen“, sagte der 73-Jährige am Sonntag bei „MagentaSport“.
Der umstrittene Geschäftsführer, der einen Vertrag bis 2025 besitzen soll, genießt trotz vieler Kritikpunkte wie dem steigenden Schuldenstand der Spielbetriebs-GmbH, dem brachliegenden Sponsorenbereich, mehreren Kommunikationsdesastern, seiner vieldiskutierten Rolle in der Affäre um den Rauswurf von Ex-Sportchef Jochen Kientz oder häufigen Auseinandersetzungen mit früheren Mitarbeitern vor dem Arbeitsgericht offenbar noch die Rückendeckung der Familie Beetz.
Hinter den Kulissen hört man aber, dass auch Kompps Position nicht mehr unantastbar sein soll. Vielleicht entscheidet sich Beetz auf der Position des Geschäftsführers deshalb zumindest mittelfristig für einen personellen Neuanfang, der ohne die vielfältigen Belastungen rund um die Reizfigur Kompp inhaltlich und atmosphärisch wieder für ein bisschen Aufbruchstimmung an der Spitze der Spielbetriebs-GmbH sorgt.
Noch sieben Spiele bis zur Winterpause: Wie schwierig ist das Restprogramm des SVW in 2023?Ketzerisch gesagt ist in der kritischen aktuellen Verfassung des Teams jede Partie in der 3. Liga eine enorme Herausforderung. Nach Essen und dem Landespokalmatch in Sandhausen steht ein Heimspiel-Doppelpack gegen Überraschungsteam SC Verl und Rehms Ex-Verein FC Ingolstadt an, dann geht es in der Liga nochmal nach Sandhausen, bevor zum Jahresfinale Erzgebirge Aue und der TSV 1860 München (erstes Rückrundenspiel) ins Carl-Benz-Stadion kommen.
Unter normalen Umständen ein mittelschweres Restprogramm, aber was ist zurzeit schon normal beim wankenden Waldhof? „Wir müssen schauen, dass wir jede Woche wieder an unsere Leistungsgrenze kommen“, meinte Rehm. Wenn bis zum Jahresende keine stabile Trendwende erkennbar ist, dürften spätestens dann personelle Konsequenzen unausweichlich sein.
Quelle: Mannheimer Morgen