Presse, 15.04.2023

[Pressesprecherin]

Quelle: Die Rheinpfalz vom 15.04.2023

Trainer unter Dauerdruck

Fussball: Waldhof-Coach Neidhart trifft am Sonntag auf seinen Ex-Klub RW Essen

VON MICHAEL WILKENING

MANNHEIM. Wenn Christian Neidhart mit dem SV Waldhof Mannheim siegt, ist immerhin Ruhe. Falls er verliert, wird die Verantwortung bei ihm abgeladen. Über einen Trainer, der (fast) nicht gewinnen kann.
„Nein“, sagt Christian Neidhart, „das löst nichts besonderes in mir aus“. Am Sonntag (14 Uhr) müssen die Kicker des SV Waldhof bei Rot-Weiß Essen ran und eigentlich hätte der Trainer der Mannheimer Grund dazu, emotional zu werden. Bei den Westdeutschen arbeitete der inzwischen 54-Jährige zuletzt, ehe er in die Quadratestadt kam. Er wird deshalb einige bekannte Gesichter treffen, wenn er das traditionsreiche Stadion an der Hafenstraße in Essen betritt. Aber er wird auch ein paar negative Erinnerungen haben. Neidhart erlebte in Essen, was er in gewisser Weise in Mannheim auch erlebt, seit er den Job des Cheftrainers bei den Waldhöfern übernommen hat. Bei Rot-Weiss reichte es am Ende nicht (mehr), fast jedes Spiel zu gewinnen. Der ambitionierte Klub stellte den Coach Anfang Mai 2022 frei, weil er glaubte, ohne ihn den Sprung in die Dritte Liga besser erreichen zu können – zwei Spieltage vor dem Saisonende, mit besten Chancen auf Platz eins. „Am Ende hat der Klub sein Ziel erreicht, das war das Wichtigste“, sagt Neidhart, verhehlt seine Enttäuschung aber nicht: „Ich habe es bis heute nicht verstanden.“ Neun Tage nach seiner Freistellung stieg im Stadion eine riesige Aufstiegsparty, weil RWE die Rückkehr in den Profifußball gelungen war. Ohne Neidhart, der sich wenig später immerhin einem finanziellen Zugewinn erfreuen konnte. Aus Essen gab es eine hübsche Abfindung und in Mannheim eine neue Aufgabe. Nun ist die Ausgangslage bei den Waldhöfern ganz ähnlich derer bei RWE. Weil die Führungsriege der Blau-Schwarzen den Aufstieg (in die Zweite Liga) ausgerufen hat, lastet ein großer Druck auf der Mannschaft und vor allem auf dem Trainer. Sieben Spieltage vor dem Ende der Saison haben die Mannheimer Fußballer die Möglichkeit, die Vorgabe der Chefs umzusetzen, und trotzdem ist die Stimmungslage rund um den Klub angespannt. „So wie hier habe ich das nirgends erlebt“, sagt Neidhart. Die Waldhöfer sind das beste Heimteam der Liga, sind auswärts im Kalenderjahr 2023 deutlich stabiler geworden, aber das genügt den Ansprüchen vieler nicht. Nicht schön genug, nicht strukturiert genug, nicht erfolgreich genug – das sind die zentralen Vorwürfe in den Netzwerken. Zweifellos überzeugten die Neidhart-Schützlinge spielerisch nicht immer, wirkten aber nie lustlos, immer kampfbereit. Die Waldhöfer sind auf dem Weg, ihre Rekordpunktzahl in der Dritten Liga (60) zu verbessern, stehen im Moment bei 51 Zählern. Bei der großen Draufsicht erfüllt der Trainer trotz in einigen Punkten berechtigten Anlasses zur Kritik die Vorgabe, mit dem Team um den Aufstieg zu spielen. Ein Sieg an der alten Wirkungsstätte würde die Aussicht auf die Zweite Liga für eine weitere Woche erhalten, wenngleich ein Dreier an der Hafenstraße im Umfeld des SVW keinen grundsätzlichen Stimmungsumschwung herbeiführen würde – so viel ist klar. Klar ist ebenso, dass Neidhart ein kleines Pokerspiel um die personelle Lage eröffnet hat. Es gebe ein paar Wackelkandidaten, aber die Namen wolle er nicht preisgeben, erklärte Neidhart am Freitag. Der Gegner solle nicht alles wissen – eine kleine Revanche für die Entlassung vor knapp einem Jahr? Die größten Baustellen haben Neidhart und der SVW in der Innenverteidigung, wo Gerrit Gohlke (Schulter-OP) mit Sicherheit ausfällt und Marcel Seegert (Adduktorenprobleme) und Malte Karbstein (Oberschenkelverletzung) kaum am Training teilnehmen konnten.